Drei Bärtige

Sieh wie friedlich das Volk in meinen Armen schläft

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„Drei Bärtige“: Eine menschliche Schöpfungsgeschichte in der Schaubude

Das Meer rauscht gelassen dahin. Gewaltig hört es sich an und dunkel ist es, bis langsam drei Gestalten erscheinen, die sich im Wellengang wiegen und uns mitnehmen in eine andere Zeit, eine andere Dimension und einen dennoch sehr gegenwärtigen Lebensrhythmus.

Eigentlich existiert die Welt noch gar nicht – oder eben doch in Gestalt dieser drei etwas komisch-archaischen Figuren, die mit Wanderstäben und Anhängebärten ausgestattet hinter einem Tisch stehen und sich als die „Drei Bärtigen“ vorstellen. Märchenhaft ernst wirken sie, auch wenn sie bald mit viel Slapstick um den Tisch herum stolpern als hauptberufliche Schöpfer.

Am Anfang war der Zahn

„Wir waren hier von Anfang an, bevor die Welt schon stand“ beginnt eine der drei und schwappt schon im zweiten Satz vom Erzählen in die Aktion: Irgendwann sei sie auf die Idee gekommen, sich einen Zahn zu ziehen und pult sogleich etwas aus dem Mund, das krachend auf dem Tisch landet.

Voilà, der Anfang ist gemacht. Wird in der biblischen Genesis aus dem Wort Welt, so wird in dem wundersam profanen Welterklärungstheater „Drei Bärtige“ aus dem Wort Zahn, daraus Stein und daraus wiederum das vielfach überschriebene Geschichtsbuch der Menschheit.

Eine Brücke in die Gegenwart

So schlagen die Puppenspieler Alexandra Kaufmann, Eva Kaufmann und Gyula Molnar sowie die Regisseurin Francesca Bettini eine clownesk verschrobene Brücke der Aufklärung aus der Archaik ins Heute und erzählen mit mythischen Mitteln eine philosophisch-politische Gründungsgeschichte, die gegenwärtiger kaum sein könnte.

Es geht um die seltsame Unfähigkeit der Menschen zu Gemeinschaft – und um die zwielichtige Funktion von „Bärten“: ihre väterliche Machtaura und all die gut meinende und schlecht seiende Autoritätsgläubigkeit, die sie begünstigen. Mancher mag das für eine verspätete Weihnachtspredigt halten, doch ist dieses große kleine Menschen-Figuren–Theater das genaue Gegenteil.

Bestimmer und Untertanen

Es aktualisiert nicht die frommen Schablonen der Heilsgeschichte, in die man sich einnistet, wenn es kalt wird, sondern erklärt umgekehrt die Defekte und beschämenden Egoismen unserer Zeit aus ihren allzu menschlichen Gründungsmythen.

Und das nicht durch banale Profanierung, sondern in der sehr detailreichen, Szene um Szene sich komplexer in die Antagonismen der Menschengesellschaft einarbeitenden Erzählung von dem Duell zwischen gutmeinenden und ubuesken „Bestimmern“ sowie den Untertanen, die sie sich ziehen.

Nach dem Zahn-Gott, der sich zum Bändiger der ausufernden Geschichtsschreibung macht, tun die beiden Kollegen es ihm nach, hauen aber keine Steinbücher auf den Tisch, sondern Holzmännchen. Und schwups, ist auch das Wort „Volk“ da, das sehr bald die Ausgrenzung und den Hass gebiert.

Nein, die drei Bartträger haben es nicht leicht mit ihren Geschöpfen, aber das gilt auch umgekehrt. Wer will, mag Religionskritik darin erkennen, doch ist diese beziehungsreiche, intensive Spielstunde vielschichtiger als das und ein wunderbar nachdenklicher Auftakt ins neue Jahr.

Berliner Zeitung, Doris Meierhenrich, 09.01.2018

Wir

Viele magische Momente

…40 Jahre ist das Volk durch die Wüste gezogen. Es hat großen Durst und begehrt auf, darf aber nicht wissen, dass man das Meer nicht trinken darf. Da angelt einer der Drei eine Wolke. Ein anderer zerpflückt diese Zuckerwatte und lässt die Flöckchen wie Manna vom Himmel fallen. Der Kaiserwalzer erklingt, es wird getanzt und der Jubel ist groß: „Manna für alle!“ Das ist wunderbar, nein Wunderbart!


…In 70 Minuten entsteht ein Kosmos poetischer Szenen, zusammenmontiert aus alttestamentarischen Überlieferungen, angereichert mit viel Weltwissen

und Ironie. Manchmal geht der rote Faden der Geschichte in der Fülle der Assoziationen und Subtexte unter.

Dennoch faszinieren viele magische Momente, insbesondere, wenn die Welt

der Holzfiguren mit denen der Darsteller verschmilzt, wenn beispielsweise die Puppen-Sängerin den schlafenden Bärtigen an die Hand nimmt, und ins

Traumland entführt. Dann gibt’s begeisterten Szenenapplaus und Bravos.


Fränkische Nachrichten, Leonore Welzin, 30.07.2018

Dann geht doch alles wieder von vorne los

Gute Künstler, gute Geschichte….

Hintergründig transportiert die kleine Geschichte auf den Tischen der Bärtigen durchaus Politik, spornstreichs wider besseres Wissen in Angriff genommene Fehler und merkwürdige, unverschämt werdende Helden…

Die räumlichen Möglichkeiten des Bühnenbilds werden im Spiel von den Puppenspielern auf humorvolle Art genutzt.

Neues Deutschland, Lucía Tirado